Offener Brief an den Herrn Wirtschaftskammerpräsidenten Leitl

von Gerhard Kraml, 4. September 2013

Geehrter Herr Präsident Leitl,

es hat mich einige Minuten gekostet, über die augenblicklich passende Anrede Ihrer werten Person, mit mir selbst einig zu werden:

Sie gehören zu jenen Menschen, die in Österreich ungeheuren Einfluss besitzen, worauf? Natürlich nicht auf die Menschen direkt, sondern auf Ihre Mitglieder/innen, also fast alle Unternehmer/innen und auf die Politiker/innen (Ihre Kollegen/innen, Sie sind ja praktisch auch einer) deren Politik verantwortlich ist für das Wohlergehen von uns allen. Bislang sind Sie in meinen Augen und auch den Augen vieler meiner Freunde und Kollegen/innen der Ihnen übertragenen Verantwortung voll bewusst gewesen und haben rechtzeitig, wenn wirklich erforderlich, sehr positiv für unsere Interessen in das politische Geschehen eingegriffen. Also wäre eigentlich ein "Sehr geehrter" oder sogar "Verehrter" als Anrede passend gewesen.

Nach der Qualifikation der Österreichischen Wirtschaft, mit dem Attribut "abgesandelt", muss ich Ihnen allerdings das "sehr" kategorisch entziehen und nur aus Gründen der Höflichkeit in wohlwollender Nachsicht das "geehrt" Belassen.

Die Österreicher/innen und die österreichische Wirtschaft sind derartig tüchtig, dass sie den zweiten Platz im europäischen Wohlstandsranking erreicht haben und das trotz furchtbarer Fehlleistungen in der Politik über Jahrzehnte und einem Kammerpräsidenten der anscheinend keinerlei Selbstbewusstsein seiner Mitglieder betreffend besitzt und sich wegen einiger idiotischer Rankings ins Boxhorn jagen lässt.

Die Anrede "lieb" ist auch nicht das Wahre, weil auch ein/e Lehrer/in der/die bei etwas schwächeren Schüler/innen nur deren Defizite für eine Beurteilung in die Waagschale wirft, alles andere als "lieb" ist. Die österreichische Wirtschaft, die ja maßgeblich an der österreichischen "Erfolgsstory" beteiligt ist, kann wohl nicht mit einem "schwächeren Schüler/in“ verglichen werden; also ist Ihre verunglückte Qualifikation total unangebracht und gar nicht "lieb". Als Entschuldigung für Ihren Terminus "abgesandelt" mag ich Ihren "heiligen Zorn" gelten lassen, der Sie überkommen ist, als Sie vom Abrutschen Österreichs in diversen internationalen Wirtschaftsrankings erfuhren. Dies wäre vielleicht vergleichbar mit dem Rundumschlag Herrn Treichls auf die österreichischen Politiker/innen, den er nach dem Auftauchen diverser von letzteren verbockten Entwicklungen und verzockten Milliarden führte, und Sie als ...... bezeichnete. Treichl hat dies natürlich zurückgenommen und mehrfach reflektiert. (Die Politiker/innen sind meist keine Fachleute und können nur das bewegen, was Ihre Berater/innen ihnen raten. Und da ist es bekanntlich sehr schwer zu entscheiden auf welche man hören soll. Es gibt bekanntlich für jede Meinung welche, die die ihrige vehement vertreten. In der Praxis wird dann halt das gemacht, was obwohl oft grundlegend falsch, keinen großen Schaden in der Wählergunst für die betreffende politische Partei anrichtet). Dass das in Klammern gesagte, natürlich in erster Linie für die meist regierenden Parteien also Rot-Schwarz zutraf und zutrifft erklärt einen "heiligen Zorn" des Herrn Treichl und Ihrer Person ganz leicht und ehrt auch Sie beide. (Wie lang soll`ma no zuschauen - die Sympathie fast aller Wähler/innen wird bei Ihnen sein). Der "heilige Zorn", den ich bei Ihnen vermute soll aber bitte nicht zu einer Beschädigung der österreichischen Wirtschaft, wie im vorliegenden Fall, führen sondern vielleicht doch in einen Befreiungsschlag von der Rot-Schwarzen "Sackgassenpolitik" gegen die jeder halbwegs intelligente Österreicher/in kämpfen müsste. Ich vermute dass weder Sie, noch Treichl, als Eckpfeiler des herrschenden rot-schwarz Systems einen "Befreiungsschlag" von der alten "Freunderlpolitik" wirklich wollen, noch Chancen haben ihn zu realisieren. Zu den internationalen Rankings, die Ihr emotionales Verhalten ausgelöst haben, welches leider die falschen getroffen hat, möchte ich noch anmerken:

1. Die Rankings sind auf Statistiken aufgebaut deren Auswertungsergebnisse davon abhängig sind welche Daten überhaupt erfasst wurden. Die Beurteilung Österreichs hieraus ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse (hoher Wohlstand der Individuen, niedrige Arbeitslosigkeit, Sozialsystem herausragend) kann nur sehr einseitig sein und zeigt nur bestimmte für den Wohlstand maßgebliche Aspekte auf. Man vergleiche doch nur die tatsächliche Situation der Menschen in Österreich und in Deutschland.

2. Als Wirtschaftstreibender, der Einblick in eigene und viele Partnerunternehmen hat, bin ich sicher, dass das Abrutschen in den Rankings den Österreichischen Betrieben in keinster Weise geschadet hat, was ich aber von Ihrer Nachricht über die "abgesandelte Wirtschaft Österreichs" nicht behaupten kann:

Die Kommentare von "Wirtschaftsgurus", und ein solcher sind Sie defakto, waren immer schon verantwortlich für Bewegungen an den Börsen - sowohl hinauf als auch hinunter. Leider geht’s jetzt "abgesandelt" hinunter und sicher nicht hinauf. Bezüglich "Psychologie" in der Wirtschaft verweise ich auf meine Rubrik im letzten Heft unseres Verbandsorganes.

Aber dennoch positiv für die Zukunft:

Die Österreicher/innen und Ihre Wirtschaft sind derartig tüchtig, dass Sie trotz jahrzehntelanger laufender Fehlleistungen - teilweise katastrophaler- österreichischer (Hypo, Milliardenzocks, Skylink, etc.) und europäischer (Schuldenstaaten im Euro etc.) Politiker/innen auch das überstehen werden.

Mit einem freundlichen Gruß und der inständigen Bitte über all das was ich geschrieben habe nachzudenken,

Gerhard Kraml